Auf dem Schiff sind mehrere OP Säle in denen verschiedene Operationen durchgeführt werden. Es gibt die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Frauenheilkunde, Augen- und Zahnklinik. Die Patienten die in Ward B sind werden im orthopädischen OP-Saal operiert.
Viele Deformierungen der Beine entstehen durch Mangelernährung im Wachstum. Manche auch durch misslungene Quinin-injektionen, die zur Malariabehandlung durchgeführt werden, oder durch nichtbehandelte Infektionen.
Die Kinder lernen mit diesen Fehlstellungen zu leben, sie können mit ihren krummen Beinen irgendwie trotzdem laufen und Fußballspielen.
Von verschiedenen Orthopäden wurden spezielle OP-techniken entwickelt, um die verformten und krumm gewachsenen Beine gerade zu operieren. In Deutschland alles unvorstellbar! Erstens dass es überhaupt zu so einer Veränderung des Körpers kommt, zweitens dass die Veränderung dann so gravierend wird und jahrelang ohne Behandlung bleibt und auch drittens, die OP- und Therapieverfahren. Diese sind darauf ausgelegt, dass es in einem afrikanischen Land auch umsetzbar ist.
Krankheitsbilder die auf der orthopädischen Station zu sehen sind:
- Klumpfuß
- Quadriceps (Oberschenkelmuskel) Kontraktur: hier biegen sich die Beine in den Knien nach vorne, oben
- Equinus (Achillessehne) Kontraktur: die Patienten können dadurch nur noch auf Zehenspitzen gehen
- Windswept legs: ein Bein ist nach außen und eins nach innen verformt
- Varus, Valgus deformation: in den Knien nach außen, oder innen gebogene Beine
Therapie-Ablauf:
- Prämedikation, Anästhesie, Block (lokale Nervenbetäubung, hält 12-48h): die Kinder bekommen Medikamente gegen die Schmerzen und Medikamente um sie während den Operationen schlafen zu lassen
- Operation: hier werden die Knochen und Gelenke korrigiert und in die richtige Position gebracht. Der betroffene Knochen wird im OP gebrochen, damit der natürliche Heilungsprozess einsetzen kann.
- Pins: oft werden die Knochen durch Metallnägel stabilisiert, die nach 8 Tagen wieder entfernt werden.
- Gips: nach der Operation wird ein Gips angelegt. Die operierten Beine müssen für viele Wochen eingegipst bleiben.
Anschließend:
- Schmerztherapie: die Patienten bekommen ein paar Tage lang regelmäßig fest verordnete Schmerzmedikamente, danach nur noch bei Bedarf
- Physiotherapie: ein Team von Physiotherapeuten kümmert sich um die Mobilisation, das Anpassen von Gehhilfen und das erste Gehtraining der Kinder
- Pin care: die im OP eingesetzten Metallnägel müssen alle paar Tage steril gepflegt und gereinigt werden, um Infektionen zu vermeiden. Nach ca. 8 Tagen dürfen wir sie dann ziehen und den Gips komplett verschließen
- Reha in HOPE-Center: sobald die Kids selbstständig mit ihren Krücken gehen können, werden sie zur Nachsorge ins HOPE-Center entlassen
- Nachsorgetermine, Gipswechsel: etwa alle 3 Wochen kommen die Kinder wieder in die Klinik um einen neuen Gips angelegt zu bekommen. Dadurch dass die Schwellung nach und nach zurück geht, muss das Bein enger eingegipst werden
Zwei Patienten die ich hier kennen lernen durfte:
JUSTINE: Eine der ersten Patienten hier in Kamerun ist die elfjährige Justine.
Sie kam mit der sogenannten Varus-Deformation auf die Africa Mercy. Ihre Operation an beiden Beinen ist gut verlaufen und sie hat sich so gefreut endlich wie andere Kinder laufen zu können, dass sie tapfer, fleißig, motiviert und ehrgeizig das Gehen mit Gips und Krücken geübt hat. Mittlerweile ist sie schon im HOPE-Center und kommt nur noch zu den Gipswechseln auf`s Schiff.
ULRICH: Der zwölfjährige Ulrich hat sich gewünscht „genau so groß zu sein wie all meine Freunde“.
Aufgrund einer Quadriceps Kontraktur wurde er operiert. Solch einen schweren Fall haben selbst erfahrene Krankenschwestern bei Mercy Ships noch nicht gesehen. Bei ihm wurde erst nur das rechte bein operiert. Da die Operation sehr aufwendig und schwierig war, wollten die Chirurgen sehen wie die OP verläuft, bevor das zweite Bein mit der gleichen Methode operiert wurde. Auch Ulrich ist jetzt zur Reha im HOPE-Center, mit zwei geraden Beinen.
Ich hoffe ich kann die beiden dort im HOPE-Center demnächst mal besuchen.
Kurzer Ausflug in die Frauenheilkunde
Vor kurzem ist die erste „Dress Ceremony“ auf der Africa Mercy gefeiert worden, an der ich teilgenommen habe. Damit wird mit der Überreichung eines neuen Kleides das neue Leben von Frauen gefeiert, die wegen einer Geburstfistel operiert wurden. Geburstfisteln entstehen durch schwere Geburten und führen in der Regel zu Inkontinenz und Unfruchtbarkeit, Frauen werden deswegen oft ausgestoßen. Die Jahre der Scham sind für die Frauen auf dem Bild aber nun vorbei.